Urlaubsabgeltung bei Krankheit, neues Grundsatzurteil

27.02.2009
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einer aktuellen Entscheidung zum Thema Krankheit erneut die gesamte dt. Arbeitsgerichtspraxis auf den Kopf gestellt. Bislang galt in ständiger Rechtsprechung, dass Urlaub, der wegen langandauernder Erkrankung nicht genommen werden konnte, spätestens zum Ablauf des Übertragungszeitraumes (31.03. des Folgejahres) ersatzlos erlosch (§ 7 Abs. 3 BUrlG).
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Diese Regelung, die seit Jahrzehnten Bestandteil der deutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung gewesen ist, wurde vom europäischen Gerichtshof nunmehr für (Europa-) verfassungswidrig befunden. Die bisherige Praxis bewirkte, dass Dauererkrankte zwar einen Anspruch auf Urlaub erwerben konnten, nicht aber einen solchen auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung. Der erworbene Anspruch auf Urlaub erlosch außerdem jeweils spätestens zum 31.03. (bei einigen Tarifverträgen auch zum 30.04.) des Folgejahres.

Diese auf den ersten Blick für Arbeitnehmer negative Folge bewirkte allerdings gleichzeitig, dass ein Arbeitgeber nicht gezwungen war, Dauererkrankte kündigen zu müssen. Er konnte vielmehr abwarten, da die erkrankten Arbeitnehmer – Weihnachtsgeldansprüche einmal ausgenommen – keine kostenmäßige Belastung für ihn darstellten. Dies hat sich durch die angesprochene Entscheidung des EuGH nunmehr drastisch verändert.

Der EuGH vertritt die Auffassung, dass es nicht gemeinschaftsrechtskonform sei, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugzeitraumes und/oder eines Übertragungszeitraumes auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugzeitraumes oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat. In Fällen dieser Art sei, so der EuGH weiter, der Urlaubsanspruch abzugelten, d. h. auszuzahlen.

Nicht ausdrücklich angesprochen hat der EuGH die Frage, was bei einer mehrjährigen Erkrankung zu gelten hat. Aus den Urteilsgründen lässt sich allerdings schlussfolgern, dass auch die mehrjährige Erkrankung nicht zu einem Erlöschen der (gesetzlichen) Ansprüche der Arbeitnehmer führt. Dies bedeutet, dass ein Arbeitnehmer, der mehrere Jahre durchgehend krank gewesen ist, im Falle des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit auch mehrere Monate Urlaub machen darf. Bleibt er bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses durchgehend erkrankt, so wäre der über mehrere Jahre angesammelte Gesamturlaub finanziell abzugelten, d.h. auszuzahlen.

Arbeitgebern mit dauererkrankten Personen ist daher dringend anzuraten, sich in fachanwaltliche Beratung zu begeben und ergänzend Ihre Arbeitsverträge aktualisieren zu lassen!